Es grünt so grün, wenn die EU das beschließt...

Sicherlich ist Ihnen allen in diesem Sommer in unserem Stadtteil aufgefallen wieviele blühende Ackerstreifen es plötzlich auf den Feldern gegeben hat und noch gibt. Jahrelang mussten wir den Kindern u.a. Kornblume und Klatschmohn auf Bildern zeigen, da diese auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen fast nicht mehr vorkamen – aber jetzt konnte man wieder richtige Blumensträuße pflücken und sich an der bunten Pracht rings um die Felder erfreuen.
Wie kommt es dazu?

Das Thema „
greening“ hat in den vergangenen beiden Jahren Landwirte wie Berater gleichermaßen beschäftigt, da deren Auflagen und Verpflichtungen im Rahmen der EU-Agrarreform 2014 sehr kompliziert sind und mit hoher bürokratischer Arbeit verbunden sind. In Brüssel hat man beschlossen, dass jeder Landwirt (der mehr als 15ha Fläche bewirtschaftet) 5% seiner Ackerfläche als „ökologische Vorrangfläche“ (ÖVF) bereitstellen und auf dieser dem Klima- und Umweltschutz besonders förderliche Landbewirtschaftungsmethoden anwenden soll. Hierzu erhält er eine Prämie, sogenannte Direktzahlungen, die natürlich beantragt werden muss. Im Klartext heißt das – ein Bauer soll 5% seiner Fläche nicht mit sogenannten Kulturpflanzen bestellten, sondern soll Pflanzen anbauen, die dem Allgemeinwohl dienen und nicht über den Markt honoriert werden, also Ackergrünstreifen, extensive Zwischenfrüchte (auch Leguminosen wie Wicken, Erbsen oder Lupinen) oder auch Brache. Aufgrund ihrer unterschiedlichen ökologischen Wertigkeit werden verschiedene Gewichtungsfaktoren bei der Bemessung der Prämie angesetzt: der höchste Faktor 1,0 gilt für die Ackerbrache, 0,7 gilt für Leguminosen und 0,3 für Zwischenfrüchte und Untersaaten.
Sie sehen schon wie schwierig es wird eine jeweilige Maßnahme auszusuchen (passt das zu meinem Standort und meiner Fruchtfolge?) durchzuführen und dann die Direktzahlung in Anspruch zu nehmen. Bei der Umsetzung sind noch sehr viel mehr Dinge zu berücksichtigen wie Zeitpunkt der Saat, Bodenbearbeitungsintensität (wie oft muss ich die greenig-Pflanzen bearbeiten?), Nutzung (darf ich die Pflanzen nutzen und wofür? Biogas, Beweidung, Futter..) und setze ich mineralische Dünger oder womöglich Pflanzenschutz ein? Das alles hat zu einer Flut von Fragen geführt mit der sich die Fachleute im BMEL (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft) unter Führung von Christian Schmidt herumschlagen müssen. Einen ganz kleinen Auszug erleben Sie hier:


Wann ist ein Pufferstreifen ein Pufferstreifen, wann ein Feldrandstreifen? Was darf wie breit sein und wo dran angrenzen? Darf vor dem Stilllegungszeitraum auf einem Puffer- oder Feldrandstreifen Grabenaushub verteilt werden? Pufferstreifen sind Streifen von max. 20 m Breite an Gewässern. Streifen an Waldrändern liegen am Wald und können max. 10 m breit sein. Diese werden bei der Berechnung der ökologischen Vorrangflächen mit dem Faktor 1,5 gewertet. Hier sind grundsätzlich die Brachevorschriften der AgrarZahlVerpflV einzuhalten. Es ist aber die Beweidung und die Schnittnutzung erlaubt. Feldrandstreifen sind Streifen mit max. 20 m Breite an Feldrändern jedweder Art (also auch an Gewässern oder Waldrändern). Sie zahlen bei der Berechnung der ökologischen Vorrangfläche ebenfalls das 1,5-fache. Hier ist jedoch die Weide- und Schnittnutzung nicht erlaubt. Der Grabenaushub kann auf diesen Streifen außerhalb der vorgeschriebenen Ruhephase verteilt werden. Sofern hier jedoch AUM-Blühstreifen (Agrarumweltmaßnahmen – Anmerkung der Verfasserin) angelegt werden, sind die besonderen Bestimmungen zu diesen Programmen zu beachten.
Grundsätzlich pflegen und erhalten Landwirte durch ihre Arbeit wertvolle Kulturlandschaften und natürliche Ressourcen, denn wer geht schon gerne in einer „Agrarindustrie“ spazieren ohne strukturelle Gliederung der Landschaft, wo es womöglich stinkt (nach Gülle oder Spritzmitteln) oder soweit das Auge reicht kein Baum in Sicht ist und kein Vogel singt. Somit soll das greening einen Beitrag leisten zu mehr ökologischer Diversität (Vielfalt von Organismen), Biotopvernetzung, Bodenverbesserung und – schutz (Erosion), Insektenweide und Artenschutz (Hasen, Fasane..). Ein Schritt in die richtige Richtung?
Nicht erst seit dem englischen Brexit steht die EU mit ihrem Verordnungs- und Vorschriftenwust als „Bürokratiemonster“ in der Kritik – es wird auch hochmotivierte Lobbyarbeit betrieben! So sehr wir uns an den neuerdings wieder blühenden Landschaften erfreuen, so aufwendig ist doch das dazu geschaffene logistische System dahinter verbunden mit Stunden der Beantragung für jeden Landwirt, der die Zeit lieber anders nutzen würde. Wäre es da nicht sinnvoller in ganzen Betriebskreisläufen zu denken und zur Anwendung von Systemen aufzurufen, die Nachhaltigkeit garantieren statt vielleicht nur „Eintagsfliegen“ zu produzieren?
Der Ökologische Landbau mit seinen Richtlinien ist vom greening-Programm nämlich ausgenommen, denn dort wird diese Praxis sozusagen systemimmanent bereits angewendet. In einem Papier des BMEL von 2014 heißt es:
Die Ökologischen Vorrangflächen des Greening beträfen ausschließlich konventionell wirtschaftende Ackerbaubetriebe ab 15 Hektar. Der Ökolandbau gelte von Haus aus als begrünt und sei deshalb von sämtlichen Greening-Auflagen befreit.
Ich würde mir wünschen, dass Landwirte als Kulturlandschaftserhalter und -pfleger mehr Honorierung in der Bevölkerung erfahren, dafür verantwortungsvoll mit den Ressourcen Erde, Wasser, Luft, Pflanze und Tier umgehen und adäquat monetär dafür entlohnt werden. Damit auch nachfolgende Generationen einen Nutzen davon haben.